Geschichte

Ein Ausflug in die Rumer Geschichte von Franz Haidacher... 


Rum wird erstmals im Jahre 1313 als selbständiges Dorf genannt. Der Ortsname taucht zum ersten Mal als RUMME in einer Urkunde des bayrischen Klosters Polling bei Weilheim auf, die mit 1153 datiert ist. Doch Urkunden sind verhältnismäßig jung. Es gibt gute Gründe zur Annahme, dass die sonnig gelegenen Ausläufer der Nordkette, im Westen vom Brandjoch, im Osten vom mächtigen Bettelwurf eingegrenzt, bereits vor Christi Geburt besiedelt wurden. Die noch heute gut erkennbare schöne Terrassierung der Äcker und Felder war eine gigantische Arbeitsleistung und geschah bereits in vorrömischer Zeit.

Das Gemeindegebiet von Rum umfasst nur 856 Hektar, höchster Punkt ist die Rumer Spitze mit 2453 Meter, tiefster Punkt der Inn mit 563 Meter Meereshöhe. Der ursprüngliche Dorfkern liegt zwischen 600 und 700 Meter auf einem ausgedehnten Schuttkegel der Rumer Mur, die schon der bedeutende Tiroler Landeskundler Johann Jakob Staffler „das größte Mureinzugsgebiet Nordtirols“ nannte. Der Ort hatte stets unter dieser Mure (Bild zeigt den Abbruch) zu leiden; überliefert sind große Murbrüche in den Jahren 1729, 1769, 1770, 1788, 1875, 1894 und 1905.

So ist es auch naheliegend, dass der Ortsname RUM (früher Rumme, auch Rumb) mit der Mur in Verbindung stehen soll. Während ältere Namensforscher die Wurzel im Rätischen, ja sogar im Etruskischen vermuteten, neigen jüngere Onomatologen dazu, den Ursprung des Namens im vorrömischen, vielleicht indogermanischen reup = zerreißen, Abbruch zu sehen, was auf die Gewalt von wildem, ungebändigtem Wasser hinweist.

Im Zuge der Kolonisation Tirols durch die Bajuwaren im sechsten Jahrhundert wurde die eingesessene romanische Bevölkerung aufgesogen und überlagert. Der bayrische Adel riss; die Grundherrschaft an sich: Der Grundherr war nicht nur Herr über Grund und Boden, sondern auch über die Menschen, die den Boden bewirtschafteten und ihm dafür Zins zahlen mussten. Seine Dienstleute waren sein Eigentum, mit dem er nach Gutdünken verfahren konnte. Aus Urkunden ab dem 14. Jahrhundert geht hervor, dass die Rumer nicht nur an den Tiroler Landesfürsten, sondern an die verschiedensten Adelsfamilien, Klöster und Kirchen in Bayern und Tirol Zins zahlen muss;ten, teils in Geld, teils in Naturalien. Die Last, „Eigenleute“ des Grundherrn zu sein, streiften die Tiroler Bauern bereits im 16. Jahrhundert großenteils ab, wirkliche Eigentümer ihres Bodens wurden sie aber meist erst im 19. Jahrhundert.

Kirchlich war Rum jahrhundertelang nur eine kleine Filiale der mächtigen Pfarre Thaur, die Urpfarre der gesamten Marthadörfer (Mühlau bis Absam) ist. 1337 wird erstmals ein Kirchlein in Rum - der heiligen Margareta geweiht - erwähnt. Zwischen 1460 und 1480 wird eine neue Kirche (Bild links) in gotischem Stil erbaut, 1765 barockisiert, 1862 bis 1865 vergrößert und verändert, 1966/67 wieder rebarockisiert. 1826 bekommt Rum erstmals einen eigenen Seelsorger, 1940 wird es Pfarrvikariat, erst seit 1948 ist Rum eine selbständige Pfarre.


Die Pest, die in den Jahren 1611/12 zwischen Schwaz und Innsbruck wütete, ging auch in Rum nicht spurlos vorüber, wie die mündliche Überlieferung und eine Gedenkkapelle am Aurain bezeugen. Groß kann die Zahl der Opfer jedoch nicht gewesen sein, da im Bereich des Gerichtssprengels Thaur in dieser Zeit kein wesentliches Ansteigen der Todesfälle zu bemerken ist. Vermutlich war der Schrecken vor der Seuche größer als ihre tatsächlichen Auswirkungen.

Zur Entwicklung der Einwohnerzahl: Ein Untertanenverzeichnis des Landesfürsten aus dem Jahr 1427 nennt erstmals eine konkrete Zahl: 169 Personen in 40 Haushalten. Die nächste genaue Erhebung der Bevölkerungszahl stammt aus dem Jahre 1615: 367 Personen. Die Einwohnerzahl wuchs langsam, aber stetig: 1810: 550; 1817: 471 (vielleicht eine Folge der napoleonischen Kriege?); 1849: 616; 1869: 564; 1890: 562. Die Stagnation bzw. der leichte Rückgang der Bevölkerungszahl in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist wohl erstmals ein Hinweis darauf, dass die Landwirtschaft nicht mehr alle Menschen ernähren konnte und dass die ersten Abwanderungen von Arbeitskräften in die nahe Stadt erfolgten.

Dank der Einführung der Allgemeinen Schulordnung durch Maria Theresia im Jahre 1774 bzw. der Schulpflicht unter Josef II. 1782 wurde in Rum ab 1775 erstmals Schulunterricht gehalten, vorerst in den Stuben der Bauernhäuser, 1818 wurde das erste Schulhaus gebaut. Gar so ernst kann die Schulpflicht nicht genommen worden sein, da die Volkszählung von 1880 bei 564 Einwohnern noch 119 volle Analphabeten erhebt (= 21%).

Der Erste Weltkrieg forderte von Rum 23 Opfer. Die Not der Nachkriegszeit führte dazu, dass 1920 auf Rumer Gemeindegebiet nach Angaben eines Wünschelrutengängers nach Kohle gebohrt wurde. Die 56-mm-Bohrung stieß in 200 Meter Tiefe auf keine Kohle, wohl aber auf einen artesischen Springbrunnen, der unter einem Druck von 20 Atmosphären eine 20-Meter-Fontäne Wasser hervorschießen ließ. Es kostete viel Mühe, diese artesische Quelle wieder zu verschließen.

Ab 1930 begann sich das Siedlungsgebiet bis in die Talsohle auszudehnen, jedoch wurde vorerst südlich der Eisenbahnstrecke nicht gebaut - der Gasthof Rumerhof (erbaut 1905) blieb das einzige Gebäude südlich der Bundesstraße.

Nach der Besetzung Österreichs durch Hitler-Deutschland im März 1938 erbaute die Deutsche Wehrmacht am westlichen Ortsende von Rum ein Militärlager; die Grundbesitzer wurden enteignet. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, durch den auch 91 junge Männer aus Rum ihr Leben verloren (6% der Einwohnerschaft), wurde das Lager Rum im Mai 1945 von den Amerikanern in Besitz genommen und im August der französischen Besatzung überlassen, die es als Kriegsgefangenenlager verwendete. Von 1953 bis 1955 nützten es wiederum die Amerikaner und stationierten hier eine Nachschubeinheit; nach dem Abschluss des österreichischen Staatsvertrages wehte am 20. September 1955 über dem Lager erstmals die österreichische Fahne. Es entstanden hier Reihensiedlungen und Einfamilienhäuser, die Innsbrucker Kreuzschwestern siedelten sich mit ihrem Sanatorium an.

Im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts errichtete die Wildbach- und Lawinenverbauung oberhalb des Dorfes große Schotter-Auffangbecken und sicherte den Murverlauf (Wappen zeigt die Murverbauung). So konnten große neue Siedlungsräume für die Verbauung freigegeben werden. Die Entstehung des neuen Ortsteiles Neu-Rum mit gemischtem Wohn- und Wirtschaftsgebiet ab den sechziger Jahren brachte einen rasanten Bevölkerungszuwachs (1951: 1.687 - 1971: 5.094 - 1991: 8.071 - 2001: 8.368 Einwohner).

Dies stellte die Gemeinde vor große Aufgaben: Eine komplette Infrastruktur war zu errichten, für alle neuen Siedlungsbereiche war für Straßen, Kanäle, Strom und Müllentsorgung vorzusorgen. Trinkwasserbehälter, neue Wasserleitungen, Sportstätten, Kindergärten und -spielplätze, Bau eines Seniorenheims, Friedhofserweiterungen, Sozialsprengelerrichtung u. ä. wurden notwendig. Eine neue Volksschule wurde in Neu-Rum, eine Hauptschule in Rum gebaut. 1976 wurde mit dem Bau einer Kirche in Neu-Rum begonnen, 1988 wurde der Ortsteil eine selbständige Pfarrei. Im Jahre 1987 erhob die Tiroler Landesregierung Rum zur Marktgemeinde.

Vierzig Vereine im Ort sorgen für Brauchtumspflege und lebendiges kulturelles Leben. Rum ist auch stolz auf drei bedeutende Kunstschaffende: aus dem 19. Jahrhundert auf den Akademischen Maler Peter Rauth (geb. 1828 in Rum, gestorben in Heidelberg) und den Bildhauer Johann Plank (1845-1913), in der Gegenwart auf die über die Grenzen Tirols bekannte Mundartdichterin Maria Recheis (geb. 1920).

Aus dem einstigen Bauerndörfchen ist ein starkes Gemeinwesen mit breiter Mittelschicht und leistungsfähigem Handel, Gewerbe und Industrie geworden, das vielen Menschen Verdienst und Heimat gibt.